/***** Für das WasWäreWenn-Magazin habe ich mich mal wieder in konstruktiven Vorschlägen geübt und eine Idee unterbreitet, wie man Plattformen sinnvoll demokratisieren kann. Das ist schwerer als zu kritisieren und auch undankbarer, denn man macht sich angreifbar. Aber nach so vielen Jahren, in denen ich Demokratsierungsversuche von Plattformen kommen und gehen habe sehen, weiß ich zumindest, wo einige der Fallstricke liegen. Das Thema ist kompliziert und verlangt nach einer komplexen Lösung und ich habe zumindest eine Möglichkeit gefunden, bei der ich gerade keinen Grund finde, warum sie scheitern sollte. Was natürlich nicht bedeutet, dass sie nicht scheitern würde, denn noch hat sie niemand ausprobiert. Kritik ist sehr willkommen. ****/
Es ist eine Hassliebe, die die Gesellschaft mit den Plattformen wie Facebook und Youtubepflegt. Auf der einen Seite geben sie vielen Menschen das erste Mal eine Stimme, mit der sie sich in der Öffentlichkeit artikulieren können, oft sogar politisch (es gab zumindest mal eine Zeit, als das als etwas Gutes galt). Auf der anderen Seite handelt es sich um Wirtschaftsunternehmen, die jeden Cent aus unserer Aufmerksamkeit und unseren persönlichen Daten pressen wollen. Zudem ähneln diese Orte weniger öffentlichen Plätzen, als vielmehr privaten Einkaufszentren, in denen man nur wenig bis keine Rechte und Mitbestimmungsmöglichkeiten hat.
Es ist deswegen naheliegend, eine Demokratisierung dieser Plattformen zu fordern, wenn wir solche Infrastrukturen schon mit unseren Meinungen und Daten füttern. Was das heißt oder heißen kann, ist ein weites Feld und im Detail eine schwierige Diskussion. Daher orientieren sich hier meine Forderungen nach Demokratisierung an den Modellen und Konzepten, die wir aus den westlichen Industrienationen kennen: Wir wollen gewisse Rechte haben, wir wollen mitbestimmen, wo die Reise hingeht, wir wollen Mindeststandards der Moderation, Transparenz sowie nachvollziehbare Prozesse. Und wir wollen, dass die enorme Macht dieser Plattformen nicht missbraucht wird.
Doch wie genau soll das passieren? Plattformen sind keine Staaten, wir können deren Konzepte nicht eins zu eins übertragen. Zunächst möchte ich vier Möglichkeiten der Demokratisierung von Plattformen vorstellen, ihre Vor- und Nachteile diskutieren und am Ende einen Lösungsvorschlag unterbreiten.
Eine Sache noch. An einer Stelle musste der Text gekürzt werden und da es für die Argumentation nicht ausschlaggebend war, musste der Teil über Finanzen weichen. Leider sind Finanzen aber sehr, sehr wichtig, wenn wir über die Unabhängigkeit von Strukturen nachdenken. Deswegen hier noch mal als Ergänzung, meine Gedanken zu Finanzen:
Finanzen
Ein Thema, das extra Bearbeitungen verdient, ist das liebe Geld. Denn Geld bedeutet immer auch Abhängigkeit, weshalb die Finanzierungsstruktur des Modells eine wichtige Frage ist, die gesondert behandelt werden muss. An dieser Stelle tue ich einfach so, als gäbe es das Modell bereits und beschreibe eine fiktive Zukunft, auch damit man sich eine Vorstellung vom real existierenden Modell machen kann.
Am einfachsten ist die Geldfrage bei den Clients zu beantworten, für die sich einfach ein freier Markt auftut und bei denen alle möglichen Geschäftsmodelle zum Tragen kommen. Die drei populärsten Clients sind der mit personalisierter Werbung von Google, der auf iOS vorinstallierte Client von Apple und der Client des größten Hubs „Hub-Verse“, der umsonst an seine Mitglieder verteilt wird. Es gibt aber noch viele weitere, auch nicht-kommerzielle Opensource-Projekte mit unterschiedlichen Feature-Schwerpunkten.
Hubs sind sehr unterschiedlich finanziert. Staaten betreiben oft eigene öffentlich-rechtliche Hubs, die kostenfrei für ihre Bürger/innen nutzbar sind. Allerdings kann man sich dort nur mittels der staatlichen Identität registrieren, was aber auch einige Vorteile für die Nutzer/innen mit sich bringt (Beispielsweise rechtsverbindliche Kommunikation). Meist haben die Leute aber noch Zweit- oder gar Drittidentitäten auf anderen Hubs. Ansonsten kann jeder einen Hub betreiben und ein Geschäftsmodell daraus machen, allerdings ist es schwierig angesichts der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz damit Geld zu verdienen. Wirtschaftlich erfolgreich sind zum Beispiel Hubs, die speziell für Firmenaccounts kostenpflichtige Services anbieten, oder Fanpage-Accounts für Prominente. Es gibt auch einen erfolgreichen Hub, der mit Werbung Geld verdient und einen Hub, der zu einem günstigen Preis einen werbefreien Premiumdienst anbietet. Es gibt aber auch viele genossenschaftliche Hubs, die den Mitgliedern gehören und durch Beiträge finanziert werden. Die zwei größten genossenschaftlichen Hubs haben dezidiert weltanschauliche Einschläge: es gibt einen großen eher konservativen und einen nicht ganz so großen eher progressiven Hub (und viele, viele kleine, linke Subkultur-Hubs) und sie unterscheiden sich vor allem auch hinsichtlich ihrer Moderationsstatute und Mitbestimmungsregeln. Große Firmen betreiben oft eigene Hubs, in denen ihre Mitarbeiter zwecks interner Kommunikation eine zweite Identität pflegen. Diese sind aber oft nicht Mitglied im Modell und wenn, dann nur zu Außendarstellungszwecken.
Die Metagovernance-Struktur wird aus zwei Töpfen gespeist: Auf der einen Seite gibt es ein spezielles Konsortium der UN, dass ein jährliches Budget bereitstellt. Nicht alle Länder, die Teil der UN sind, sind Mitglieder in dem Konsortium, aber durchaus einige der größten. Die UN hat keinerlei Einflussmöglichkeit auf die Strukturen der Metagovernance, sondern muss nur einmal jährlich deren Etat beschließen. Den Haushalt und die Etatbeantragung macht das Metagovernance selbst. Die UN darf nur mit guter Begründung einen abweichenden Etat beschließen. Im Budget des Metagovernance enthalten sind auch Hosting- und Versionierung der Hub-Codebasis.
Ein zweiter Topf speist sich aus Abgaben der Clients und Hubs. Es gibt sowohl für Client- als auch Hub-Anbieter eine verpflichtende Gebührenordnung mit einem geringen Mindestbetrag, der an das Metagovernance abgeführt werden muss. Kommerzielle Anbieter zahlen zusätzlich einen geringen Prozentsatz ihrer Einnahmen. Aus diesem zweiten Topf werden vor allem Codebasis-Entwicker/innen, als auch Moderator/innen des Metagovernance bezahlt.
Am teuersten war die Entwicklung der Code-Basis natürlich am Anfang. In einer ersten Phase wurden die Grundstrukturen von einem temporären Konsortium aus verschiedenen Firmen im Auftrag und mit Mitteln der EU entwickelt. In einer zweiten Phase wurden erste Testinstallationen aufgesetzt und der Code unter einer Opensource-Lizenz veröffentlicht. Es bildeten sich sodann Startups, die unter anderem mit öffentlicher Anschubförderung eigene Distributionen aus der Code-Basis entwickelten. In der dritten Phase waren Staaten (fast alle EU-Staaten sowie Kanada, Brasilien und Indien) die ersten Betreiber von Hubs und sorgten für die nötigen Netzwerkeffekte, um das Modell für weitere Entwickler/innen attraktiv zu machen.
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