Archiv der Kategorie: Plattformpolitik

Materialität und Austauschbarkeit

Vom Supplychain-Kapitalismus zum Plattform-Merkantilismus /****** Für den Tagungsband „Materialität des Digitalen“ habe ich meinen Vortrag über Materialität und Austauschbarkeit verschriftlicht. Er bildet – zusammen mit „KI ist ein Coup“ – die Vorstudie eines größeren Projektes zur politischen Ökonomie der Abhängigkeiten, zu dem es hier noch einiges zu lesen geben wird. ******/ Einleitung In einer 2015 viral gegangenen Vortragsfolie schreibt Tom Goodwin: »Uber, the world’s largest taxi company, owns no vehicles. Facebook, the world’s most popular media owner, creates no content. Alibaba, the most valuable retailer, has no inventory. And Airbnb, the world’s largest accommodation provider, owns no real estate« . (Goodwin via McAfee/Brynjolfsson 2017: 8) In der beschriebenen Welt schweben die Plattformunternehmen über der Welt des Materiellen und dirigieren Autos, Inventar und Immobilien durch algorithmische Suggestion, wie der Zauberlehrling Besen und Eimer. Das Digitale hat den Kapitalismus ohne Frage ordentlich umgestaltet. Und im Zentrum steht dabei eine Abkehr vom Materiellen. Dieser Befund hat jedoch zwei Probleme: Das Materielle, und darauf will ja gerade auch dieser Band aufmerksam machen, ist weiterhin relevant. Wir müssen heute sogar viel dringender als je über materiellen Ressourcen- und Energieverbrauch sprechen, den auch die digitale Welt in einem erstaunlichen Maß verursacht. Das Materielle ist nicht verschwunden, … Weiterlesen

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KI ist ein Coup: Das Internet, generative Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Demokratie

/******* Dieser Text erscheint in der Akzente-Ausgabe „Automatensprache“ von Mai 2024, in dem auch viele andere tolle Texte zum aktuellen KI-Hype enthalten sind. *******/ In einem Interview vom März dieses Jahres sprach Sam Altman, CEO von OpenAI, – der mächtigsten KI-Firma der Welt – einen Satz aus, der ihm sofort unangenehm wurde. Er sagte: „Der Weg zu AGI sollte ein gigantischer Machtkampf sein.“ AGI (Artificial General Intelligence) markiert innerhalb der Branche die Erreichung von menschengleicher, genereller Maschinenintelligenz und ist das offizielle Ziel aller KI-Startups und -Konzernabteilungen. Altman korrigierte sich schnell: Er wünsche sich diesen Machtkampf nicht, aber er erwarte ihn. Der Satz fällt an der Stelle, als es im Interview um seinen eigenen Machtkampf um die Kontrolle von OpenAI geht. Wenige Monate zuvor, im November 2023, feuerte ihn das Board des Unternehmens überraschend als Geschäftsführer. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer und da das Board nur sehr vage Andeutungen über die Gründe machte, spekulierte die halbe Welt über den plötzlichen Rausschmiss. Es ist wichtig, dabei zu verstehen, dass OpenAI keine Firma wie andere Firmen ist. Sie wurde bewusst als Non Profit Organisation (NGO) gegründet, um ethisch verantwortungsvolle KI-Forschung sicher zu stellen, doch unter Altman etablierte sie einen For-Profit-Arm, um … Weiterlesen

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xAi / Grok

Elon Musk hat nun die Veröffentlichung des Chatbots „Grok“ angekündigt und es scheint tatsächlich so schlimm zu werden, wie ich es mir dachte. In meiner Studie zu Large Language Models hatte ich in einem extra angehängten Epilog genau dieses Szenario antizipiert. Aus aktuellem Anlass veröffentliche ich diesen Abschnitt nochmal gesondert. Epilog Die öffentliche Debatte um Künstliche Intelligenz geht sehr häufig um spekulative Szenarien rund um AGI, Superintelligenzen und die Frage, ob diese uns nun retten oder ausrotten werden. Doch LLMs müssen nicht superintelligent sein – eigentlich müssen sie überhaupt nicht in einem menschlichen Sinne intelligent sein –, um einen enormen Einfluss auf alle Aspekte unserer Welt zu haben. Wenn eine Technologie so tief in unser kollektives Betriebssystem – die Sprache – implementiert wird, sind die Effekte vorhersehbar groß und unvorhersehbar vielfältig. Paul Virilio hat einmal gesagt, dass jede Technologie ihren eigenen Unfall produziert (Virilio/Lotringer 1983, S. 35 f.). Zwei Dinge sind dabei zu ergänzen: Ein Unfall ist nur dann ein Unfall, wenn er nicht vorhergesehen wurde. Und die Gefährlichkeit des Unfalls ist proportional zur Mächtigkeit des verunfallenden Systems. Denken wir an Social Media. Die Euphorie aus den Anfangstagen war im Nu verflogen, als wir feststellten, dass Plattformen als politische Waffen … Weiterlesen

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Was sind Large Language Models und wie funktionieren sie?

Large Language Models (LLMs) sind in aller Munde, aber kaum jemand versteht, wie sie funktionieren. Es gibt einige ganz gute Explainer in englischer Sprache, aber keine wirklich guten in Deutsch (jedenfalls ist mir keiner untergekommen). Dies ist ein Auszug aus der Literaturstudie: „Künstliche Intelligenz, Large Language Models, ChatGPT und die Arbeitswelt der Zukunft“, die ich für die Hans-Böckler-Stiftung erstellt habe. Ich habe den Erklärteil zu LLMs herausgelöst, um ein breiteres Verständnis für die Technologie zugänglicher zu machen. Begriffe zur Einführung Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Feld der Informatik, das fast so alt ist wie die Informatik selbst. In der KI geht es darum, Computer dazu zu bringen, auf bestimmte Arten zu agieren, die von Menschen als intelligent empfunden werden. Das schließt unter anderem die Lösung von komplexen Problemen, das selbstständige Lernen von neuen Fähigkeiten und auch die Beherrschung der menschlichen Sprache mit ein. Künstliche Neuronale Netzwerke (KNN) sind die derzeit meistverwendete Technologie im Feld der KI. KNN bestehen aus künstlichen Neuronen und sind von den neuronalen Netzwerken im Gehirn von Menschen und Tieren inspiriert. KNN werden in einem Prozess namens „Deep Learning“ oder auch „maschinelles Lernen“ mit großen Datenmengen trainiert und erlangen dadurch Fähigkeiten, die schwer wären, durch normale Programmierung … Weiterlesen

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Integrationsangriff auf das Fediverse?

Immer, wenn ich ein Buch über ein Thema geschrieben habe, schläft mein Interesse für das Thema ein bisschen ein. Das ist ja auch verständlich, schließlich habe ich alles, was ich glaube, über das Thema zu sagen zu haben, schon gesagt. Da! Lies nach! Das gilt natürlich auch für das Plattformthema. Natürlich kann es sein, dass etwas ganz neues passiert, das das bereits Geschriebene in Frage stellt. Das passiert gerade gewissermaßen hinsichtlich der AI-Revolution und da werde ich sicher auch noch mal was drüber machen, aber hier soll es um etwas anderes gehen. Nämlich um den Kampf der Mastodon-Admins gegen Metas Versuche, im Fediverse Fuß zu fassen. Also, was ist passiert? Nachdem Elon Musk Twitter zu seinem persönlichen „Stürmer“ umfunktioniert hat, gab es mehrere Migrationswellen von Twitteruser*innen zum freien, protokollbasierten Mastodon. Daneben positionieren sich auch viele weitere Wettbewerber und buhlen um die Gunst tatsächlicher und potentieller Twitterexilant*innen. Und während die Welle gen Mastodon inzwischen ziemlich abgeebbt ist und sich eine gewisse Ernüchterung breit macht, setzten große Social Media Konzerne an, ihren Hut in den Ring zu werfen. Darunter Substack, Tumblr, Medium und Meta. Interessanter Weise kündigten die letzten drei genannten allesamt an, das sogenannte ActivityPub-Protokoll zu implementieren, also das Protokoll, auf … Weiterlesen

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Danke für den Fisch!

Ich ziehe mich von Twitter zurück. Ich werde meinen Account behalten, ihn aber stilllegen. Ich werde die App von meinen Geräten werfen und die Website nicht mehr ansteuern. Ich spreche seit der Übernahme von Elon Musk immer wieder davon, dass ich diesen Schritt zunehmend als notwendig erachte. Ich brauche immer etwas, bis bei mir aus einer Idee ein Entschluss und aus dem Entschluss eine Tat wird. Nun ist es soweit. Es gibt dafür gar keinen konkreten Anlass, eher ein Gesamtbild, dass sich immer erkennbarer zusammengefügt. Twitter ist jetzt die persönliche Waffe von Elon Musk im weltweit tobenden Kulturkampf. Momentan funktioniert das zwar eher schlecht als recht, aber der Schaden für den Diskurs und die Demokratie ist trotzdem heute schon real. Twitter verändert sich rasant und wird immer mehr zur rechten Trollhölle aber gleichzeitig wird es in der Öffentlichkeit nach wie vor ernst genommen. Das ist eine gefährliche Entwicklung, denn sie verschiebt gesellschaftliche und politische Erwartungen und normalisiert Dinge, die nicht normalisiert gehören. Musks Waffe feuert nicht plötzlich, sondern sukzessive und allmählich und normalisiert eine neue Art des Diskurses „one scandal at a time“. Man konnte den Mechanismus bei Donald Trump gut beobachten: Trumps Erbe sind nicht die einzelnen Policyentscheidungen seiner … Weiterlesen

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Die große Manipulations-Erzählung

/***** Dieser Text erschien im Magazin Hohe Luft Kompakt (Sonderheft 1/20). Dies ist die unredigierte Version, aber dafür mit Fußnoten. ******/ Es war im Jahr 1957, als ein Amerikaner namens James Vicary herausfand, dass man Menschen mittels bewusst kaum wahrnehmbarer Botschaften manipulieren kann. Blendet man zum Beispiel im Kino für den Bruchteil einer Sekunde die Botschaft „Esst mehr Popcorn“ ein, steigt nachweisbar der Popcorn-Umsatz. Vicarys Studie zu „Sublimnal Stimuli“ wurde weltberühmt. Allerdings nicht durch Vicary selbst, sondern über ein Buch, das im selben Jahr Furore machte: „Die Geheimen Verführer“ von Vance Packard.1 Dort wird unter anderem Vicarys Studie beschrieben, natürlich negativ, als Warnung an uns alle. Die Welt war zutiefst beunruhigt und das Wissen um Sublimnal Stimuli hat sich bis heute im kulturellen Unterbewusstsein festgebissen. Im Kultfilm Fight Club von 1999 hat sie einen Auftritt als Tyler, der im Film als Kinovorführer jobbt, einzelne Bilder aus einem Porno in einen Hollywoodfilm schneidet, woraufhin die Kinder anfangen zu weinen. Wie viele spannende Geschichten, hat auch diese einen Haken. Das Experiment von James Vicary war rein erlogen und „Sublimnal Stimuli“ gibt es nicht. Obwohl Vicary in einem Interview von 1962 selbst zugab, das Experiment zur Steigerung des Umsatzes seines Marketingunternehmens erfunden zu … Weiterlesen

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An Unsettling Question for Digital Capitalism

/****** This Essay was first published in German at „Aus Politik und Zeitgeschehen“ and also as an extended version on this blog. The translation was provided by Lisa Contag. ******/ A spectre is haunting (not only) Europe — the spectre of digital capitalism. And as is fitting for the times we live in, it comes in many shapes and colours: as information capitalism, data capitalism, platform capitalism, surveillance capitalism and cognitive capitalism. A multitude of digital capitalisms have come into existence, however, they essentially indicate the same thing: that we are witnessing fundamental changes. And this exact point leads me to the unsettling question: is this still capitalism? When using the word “unsettling”, I don’t mean the discomfort the authors of numerous and diverse characterizations of digital capitalism obsess about. My goal is not to demonstrate that capitalism’s new digital variety is worse than all its predecessors. My unease rather concerns capitalism itself. I figuratively place my hand on its shoulder, as it were, and quietly ask: “Everything ok there, capitalism?” While many authors identify capitalism to have further radicalized in its digital version, my impression is the opposite. I believe capitalism isn’t doing well at all in the digital … Weiterlesen

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WasWäreWenn-Mag: Gestapelte Demokratie

/***** Für das WasWäreWenn-Magazin habe ich mich mal wieder in konstruktiven Vorschlägen geübt und eine Idee unterbreitet, wie man Plattformen sinnvoll demokratisieren kann. Das ist schwerer als zu kritisieren und auch undankbarer, denn man macht sich angreifbar. Aber nach so vielen Jahren, in denen ich Demokratsierungsversuche von Plattformen kommen und gehen habe sehen, weiß ich zumindest, wo einige der Fallstricke liegen. Das Thema ist kompliziert und verlangt nach einer komplexen Lösung und ich habe zumindest eine Möglichkeit gefunden, bei der ich gerade keinen Grund finde, warum sie scheitern sollte. Was natürlich nicht bedeutet, dass sie nicht scheitern würde, denn noch hat sie niemand ausprobiert. Kritik ist sehr willkommen. ****/ Es ist eine Hass­lie­be, die die Gesell­schaft mit den Platt­for­men wie Face­book und You­tubepflegt. Auf der einen Sei­te geben sie vie­len Men­schen das ers­te Mal eine Stim­me, mit der sie sich in der Öffent­lich­keit arti­ku­lie­ren kön­nen, oft sogar poli­tisch (es gab zumin­dest mal eine Zeit, als das als etwas Gutes galt). Auf der ande­ren Sei­te han­delt es sich um Wirt­schafts­un­ter­neh­men, die jeden Cent aus unse­rer Auf­merk­sam­keit und unse­ren per­sön­li­chen Daten pres­sen wol­len. Zudem ähneln die­se Orte weni­ger öffent­li­chen Plät­zen, als viel­mehr pri­va­ten Ein­kaufs­zen­tren, in denen man nur wenig bis kei­ne Rech­te und Mit­be­stim­mungs­mög­lich­kei­ten hat. Es … Weiterlesen

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Fünf beunruhigende Fragen an den digitalen Kapitalismus (Directors Cut)

/***** Für die Zeitschrift der Bundeszentrale für politische Bildung „Zu Politik und Zeitgeschichte“ (APuZ) habe ich meinen Vortrag über den digitalen Kapitalismus vom vom letzten Herbst verschriftlicht. Aus Platzmangel wurde er rund um die Hälfte zusammengekürzt, auch wenn die Grundaussage gut erhalten blieb. Dennoch erlaube ich mir hier nun die Directors Cut Version zu posten, für alle, die gerne noch ein paar mehr Argumente hören möchten, warum der digitale Kapitalismus vielleicht not so much ein Kapitalismus ist. Die APuZ kann man hier runterladen oder bestellen. *****/ [PDF Download] Ein Gespenst geht um in Europa, es ist das Gespenst des digitalen Kapitalismus. Und wie es sich im konsumgeilen Kapitalismus ziemt, kommt er in vielen Formen und Farben: Informationskapitalismus, Daten-Kapitalismus, Plattform-Kapitalismus, Surveillance Capitalism und kognitiver Kapitalismus. Der digitalen Kapitalismen gibt es mittlerweile so viele, dass man sich wie bei Rossmann vor dem Shampoo-Regal fühlt. Ich habe mir einen Großteil der Literatur angeschaut und ich habe Fragen. Genauer gesagt habe ich fünf beunruhigende Fragen an den Kapitalismus. Mit „beunruhigend“ meine ich im übrigen nicht dieselbe Unruhe, in die sich die Autor/innen der unterschiedlichen Digital-Kapitalismus-Beschreibungen hineinsteigern. Es geht mir nicht darum, zu zeigen wie nun diese neue, die digitale Spielart des Kapitalismus schlimmer ist … Weiterlesen

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