Archiv der Kategorie: Das Neue Spiel
Derrida und ChatGPT – Ein philosophischer Dialog über Sprache und Denken
Ich lese gerade viel zu LLMs und dem ganzen KI-Kram und ich bin hin- und hergerissen zwischen: „oh Gott ist das spannend, das wird alles ändern!“ und „ich will nur noch in Rente gehen!“ Je mehr ich mich mit der Funktionsweise der Sprachmodelle beschäftige, desto stärker fühle ich mich in die Zeit meiner Beschäftigung mit dem Poststrukturalismus, insbesondere mit Derrida, zurückgeworfen. Mir scheint, dass das „Denken“ der KI, gerade weil es nur statistische Auswertung von Texten ist, die Intertextualitätsthese des Poststrukturalismus gewissermaßen beweist. Während ich also so vor mich hinräsoniere, ob das wirklich der Fall sein kann, ist mir eingefallen, dass ich ja mal jemanden fragen kann, der sich damit auskennt: ChatGPT! Ich fand die Konversation angregend, obwohl man stellenweise merkt, wie erstens das Modell sehr affirmativ angelegt ist (es versucht im erstens Schritt mir immer recht zu geben), zweitens, dass die Reasoningfähigkeiten jedoch noch recht begrenzt und oberflächlich sind (zu einem Großteil versucht es nur meine Aussagen umzuformulieren) und drittens Guardrails (meine Vermutung) dafür sorgen, dass das Programm nicht allzu bolde Claims über seine eigenen Fähigkeiten macht (Bezüge auf eigene Denkfähigkeiten werden routiniert relativiert). Und doch ist unzweifelhaft zu erkennen, dass hier auch Verstehen passiert. Nachvollzug von Gedanken, Text- … Weiterlesen
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An Unsettling Question for Digital Capitalism
/****** This Essay was first published in German at „Aus Politik und Zeitgeschehen“ and also as an extended version on this blog. The translation was provided by Lisa Contag. ******/ A spectre is haunting (not only) Europe — the spectre of digital capitalism. And as is fitting for the times we live in, it comes in many shapes and colours: as information capitalism, data capitalism, platform capitalism, surveillance capitalism and cognitive capitalism. A multitude of digital capitalisms have come into existence, however, they essentially indicate the same thing: that we are witnessing fundamental changes. And this exact point leads me to the unsettling question: is this still capitalism? When using the word “unsettling”, I don’t mean the discomfort the authors of numerous and diverse characterizations of digital capitalism obsess about. My goal is not to demonstrate that capitalism’s new digital variety is worse than all its predecessors. My unease rather concerns capitalism itself. I figuratively place my hand on its shoulder, as it were, and quietly ask: “Everything ok there, capitalism?” While many authors identify capitalism to have further radicalized in its digital version, my impression is the opposite. I believe capitalism isn’t doing well at all in the digital … Weiterlesen
WasWäreWenn-Mag: Gestapelte Demokratie
/***** Für das WasWäreWenn-Magazin habe ich mich mal wieder in konstruktiven Vorschlägen geübt und eine Idee unterbreitet, wie man Plattformen sinnvoll demokratisieren kann. Das ist schwerer als zu kritisieren und auch undankbarer, denn man macht sich angreifbar. Aber nach so vielen Jahren, in denen ich Demokratsierungsversuche von Plattformen kommen und gehen habe sehen, weiß ich zumindest, wo einige der Fallstricke liegen. Das Thema ist kompliziert und verlangt nach einer komplexen Lösung und ich habe zumindest eine Möglichkeit gefunden, bei der ich gerade keinen Grund finde, warum sie scheitern sollte. Was natürlich nicht bedeutet, dass sie nicht scheitern würde, denn noch hat sie niemand ausprobiert. Kritik ist sehr willkommen. ****/ Es ist eine Hassliebe, die die Gesellschaft mit den Plattformen wie Facebook und Youtubepflegt. Auf der einen Seite geben sie vielen Menschen das erste Mal eine Stimme, mit der sie sich in der Öffentlichkeit artikulieren können, oft sogar politisch (es gab zumindest mal eine Zeit, als das als etwas Gutes galt). Auf der anderen Seite handelt es sich um Wirtschaftsunternehmen, die jeden Cent aus unserer Aufmerksamkeit und unseren persönlichen Daten pressen wollen. Zudem ähneln diese Orte weniger öffentlichen Plätzen, als vielmehr privaten Einkaufszentren, in denen man nur wenig bis keine Rechte und Mitbestimmungsmöglichkeiten hat. Es … Weiterlesen
Fünf beunruhigende Fragen an den digitalen Kapitalismus (Directors Cut)
/***** Für die Zeitschrift der Bundeszentrale für politische Bildung „Zu Politik und Zeitgeschichte“ (APuZ) habe ich meinen Vortrag über den digitalen Kapitalismus vom vom letzten Herbst verschriftlicht. Aus Platzmangel wurde er rund um die Hälfte zusammengekürzt, auch wenn die Grundaussage gut erhalten blieb. Dennoch erlaube ich mir hier nun die Directors Cut Version zu posten, für alle, die gerne noch ein paar mehr Argumente hören möchten, warum der digitale Kapitalismus vielleicht not so much ein Kapitalismus ist. Die APuZ kann man hier runterladen oder bestellen. *****/ [PDF Download] Ein Gespenst geht um in Europa, es ist das Gespenst des digitalen Kapitalismus. Und wie es sich im konsumgeilen Kapitalismus ziemt, kommt er in vielen Formen und Farben: Informationskapitalismus, Daten-Kapitalismus, Plattform-Kapitalismus, Surveillance Capitalism und kognitiver Kapitalismus. Der digitalen Kapitalismen gibt es mittlerweile so viele, dass man sich wie bei Rossmann vor dem Shampoo-Regal fühlt. Ich habe mir einen Großteil der Literatur angeschaut und ich habe Fragen. Genauer gesagt habe ich fünf beunruhigende Fragen an den Kapitalismus. Mit „beunruhigend“ meine ich im übrigen nicht dieselbe Unruhe, in die sich die Autor/innen der unterschiedlichen Digital-Kapitalismus-Beschreibungen hineinsteigern. Es geht mir nicht darum, zu zeigen wie nun diese neue, die digitale Spielart des Kapitalismus schlimmer ist … Weiterlesen
The History of Digitalisation in Five Phases
/**This is a shortened translation of my text „Die Geschichte der Digitalisierung in fünf Phasen“ by Julian Rybarsky for a hand-out publication of the FFT-Festival „Claiming Common Spaces II“ where I had the honor to speak. **/ There is no English word for “Digitalisierung”. Instead, one speaks of “technology”, “artificial intelligence” or “innovation”, also addressing different topics and various debates each time. In Germany, the term embraces all those processes of structural adaptation that the introduction of digital technology into our everyday lives entails. It allows us to perceive heterogenous processes as one whole, but it also makes the conspicuous vastness of the phenomenon seem intimidating. I subdivide the history of “Digitalisierung” into four phases that successively lead from the 1980s to our present day. The idea is to generate enough acceleration in the narration of the four phases to use them as a platform for the future – that is, the fifth phase – and to dare a related speculation. Phase One: Early Networking Utopias (1985 – 1995) Computers already existed in the 1970s, although they were very large, and mainly installed at universities, in military compounds or at big corporations. Most people knew of them only by way … Weiterlesen
Wikimedia: Ist die digitale Gesellschaft noch zu retten?
/** Beim Wikimedia-Salon saß ich zu dem Buchstaben „V“ wie Vertrauen auf einem Panel. Zudem habe ich die letzte Zeit viel zu der Wikipedia und ihrer Krise geschrieben, als auch über die Geschichte und Zukunft der Digitalisierung. All das fließt in diese längere Reflexion zur Zukunft der digitalen Gesellschaft ein, in der ich auch versuche Hoffnung zu schöpfen. Ich hoffe, das ist gelungen. **/ Wir sprechen über die digitale Gesellschaft, als ob wir wüssten, was das ist. Oder als wäre die digitale Gesellschaft einfach der Nachfolger der analogen Gesellschaft. Also dieselbe Gesellschaft, nur mit Online-Banking, Amazon statt Einkaufszentrum und Facebook-Gruppe statt Stammtisch. Ich empfinde es als Vorteil, dass wir in Deutschland die „Digitalisierung“ auch als gesellschaftlichen Prozess diskutieren. Leider läuft man dabei schnell in die Gefahr zu glauben, es reiche, die vorhandenen Strukturen zu nehmen und einfach digital neu zu denken. Die Rede von „Digitaler Gesellschaft“ scheint mir genau in diese Falle zu laufen, denn sie übersieht, dass Gesellschaft – egal ob als abstraktes Gebilde oder konkrete Struktur – immer auch ein Produkt medialer Bedingungen ist. Das hat bereits der Lehrer und Mentor von Marshall McLuhan – Harold Innes – verstanden. In seinem Buch „Empire and Communications“ von 1950 zeigt … Weiterlesen
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Die Geschichte der Digitalisierung in fünf Phasen
Es gibt kein englisches Wort für “Digitalisierung”. Dort spricht man je nachdem von „Technology“, “Internet”, “Artificial Intelligence” oder „Innovation“ und adressiert damit auch jeweils andere Dinge und unterschiedliche Debatten. In Deutschland hat sich der Begriff hingegen vor allem in der Politik durchgesetzt und bildet eine Klammer für all die strukturellen Anpassungsprozesse – politische, wirtschaftliche, kulturelle – die die Gesellschaft durch den fortschreitende Einzug der digitalen Technologie in unseren Alltag nach sich zieht. Es ist ein Vorteil der deutschen Sprache, diese doch sehr heterogenen Prozesse als ein großes Ganzes betrachten zu können. Es hat aber auch Nachteile, da die schier unübersehbare Größe des Phänomens einschüchternd, gar erdrückend wirken kann. Klar ist, die Digitalisierung wälzt die gesellschaftlichen Strukturen um. Aber um zu klären, wie das geschieht – um sich einen Überblick zu verschaffen – muss man den Monolithen „Digitalisierung“ zunächst wieder aufsprengen. Nicht in seine vielfältigen Bestandteile (dann würde es wieder unübersichtlich), sondern systematischer. Zum Beispiel historisch. Was ich hier versuchen möchte, ist eine “narratologische Rampe” zu bauen. Ich teile die Geschichte der Digitalisierung in vier Phasen ein, die nacheinander von den 80er Jahren bis heute reichen. Die Idee ist, bei der Narration der vier Phasen genügend Beschleunigung generieren, um über die … Weiterlesen
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Fünf beunruigende Fragen an den digitalen Kapitalismus
Tatsächlich denke ich seit Jahren über das Thema nach. Mein Buch hatte damals die wesentlichen ökonomischen Zusammenhänge rund um Kontrollverlust und Plattformkapitalismus weitestgehend ausgeklammert. Das kam mir damals bereits als Mangel vor aber … ich war noch nicht so weit. Die Theoriebildung zu diesem Vortrag hat sich vor allem entlang meiner Beschäftigung mit Marx, Wert und Preis entwickelt, einiges hatte ich hier auch schon verbloggt. Zum Nachlesen: 1. Alles begann mit der Wert-Theorie von Marx. Die ich ablehne und hier begründe warum. 2. Da ich aber auch das Gegenmodell der klassischen Wirtschaftswissenschaften (die Grenznutzentheorie) nicht überzeugend fand, habe ich mich weiter damit befasst und darüber nachgedacht, wie Wertschöpfung in Zeiten des Kontrollverlusts mittels Plattformen bewerkstelligt wird. Daraus ergab sich die Frage nach der Überkommenheit der Eigentumsordnung im digitalen. Nachzulesen hier: Die Gewalt der Plattform und der Preis des Postkapitalismus. 3. Ein dritter Stein zum Puzzel kam mit der im Vortrag genannten Uber-Studie und der Erkenntnis, dass Preisdiskriminierung eigentlich eine radikale Abkehr vom Marktprimzip bedeutet: Das Ende der Konsumentenrente oder Wert und Preis III. Weitere Anstöße waren dann noch vor allem das Buch „Capitalism without Capital“ von Jonathan Haskel und Stian Westlake, sowie meine kritische Beschäftigung mit Robert J Gordons „Rise … Weiterlesen
Cambridge Analytica, the Kontrollverlust and the Post-Privacy Approach to Data-Regulation
There is a heated debate going on about Facebook and privacy since the revelations about Cambridge Analytica surfaced. The reaction is a cry for more privacy regulation. The European approach of the General Data Protection Regulation (GDPR), which will come into effect by late May this year, is seen by many as a role model for a much needed privacy regulation in the US. But they are wrong. I feel that there are a lot of misconceptions about the effectiveness of data protection in general. This is not surprising since there are few similar rules in the US and so the debate is based more on projections than on actual experiences. I want to add the perspective of someone who has lived long enough within a strict privacy regime in Germany to know the pitfalls of this approach. From this angle I want to reflect the Cambridge Analytica case regarding of how effective EU style privacy regulation would have been to prevent this event from happening. Jürgen Geuter has already published a very readworthy and detailed critic of the GDPR, but my angle will be more conceptual and theory driven. I will apply the theory of ‘Kontrollverlust’ to this case … Weiterlesen
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